Ich will, ich will nicht

Die Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten brachte vor allem eines zu Tage: Unser demokratisches System wird bei Bedarf von den Eliten in Frage gestellt.

Unterstellte man dem Ganzen System, so hätte es durchaus System.

Jahrelang wird gegen das höchste Amt im Staat polemisiert, dessen Sinnhaftigkeit in Frage und die Kosten in den Vordergrund gestellt. Die in der Verfassung klar beschriebene Rolle wird künstlich aufgeladen, unrealistische Erwartungshaltungen geschaffen, um damit die Unnützheit im zu erwartenden Fall nachweisen zu können. Darum herum wird ein Kasperltheater veranstaltet. Zu guter Letzt wird zur Wahlverweigerung aufgerufen.

Dieses Stück entstammt nicht dem Handbuch der Anarchie, sondern gelebter Machtpolitik der herrschenden Elite.

Die Wahl zum Bundespräsidenten war also keine wirkliche, sondern eine kryptomatische, die nun durch eine Volksabstimmung ihre nachträgliche Legitimität erhalten soll. Das dumpfe Gejohle der immer Jaulenden ist gewiss. Denn wie jedes Kind dieses Staates weiß: Das war keine beschädigte Wahl, vielmehr deren Verweigerung.

Das freie, allgemeine und geheime Wahlrecht für Frauen und Männer ist seit nicht mal hundert Jahren möglich, und das nicht ohne Unterbrechung. Und schon gar nicht wurde dieses Recht gnädigerweise gewährt: Dafür wurde auf die Straße gegangen, demonstriert, in allen Lebenslagen gekämpft und ja, auch dafür gestorben. Heute wird es wie der Schutz der Privatsphäre, den Menschen- und Bürger_innenrechten entwertet und der Lächerlichkeit preisgegeben. Nicht dass dieses System grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden darf, die Frage bleibt bloß immer dieselbe: Wem nützt es?

Wir beklagen, wir bestürzen die niedrige Wahlbeteiligung?

Wir, die in diesem Land leben, sollen bestimmen, wer unsere gewählten Repräsentant_innen sind, welchen gemeinsamen Rahmen wir uns, mit unseren Nachbar_innen zusammen, basteln. Ein gemeinsames, gemeinschaftliches Projekt, das auch die Rechte anderer respektiert?

Eigentlich nein, müsste die Antwort lauten. Zehn Prozent der hier ansässigen Bevölkerung darf erst gar nicht zur Wahl gehen. Falscher Reisepass. Ich kann, ich kann nicht.

Darüber sollten wir uns unterhalten.

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