Grenzregime töten

Monument für Annie Moore, die 1892 als erste Person über das Migrationsamt Ellis Island, NY, in die USA einreisen konnte (Cobh, Irland)
Monument für Annie Moore, die 1892 als erste Person über das Migrationsamt Ellis Island, NY, in die USA einreisen konnte (Cobh, Irland)

Tote Geflüchtete in einem LKW lösen wieder einmal Trauer und Bestürzung aus. Die öffentlichen Wortmeldungen erinnern an die große Schiffskatastrophe vor Lampedusa, als mehr als 800 Menschen Opfer der Festung Europa wurden.

Stereotyp sind die Schuldigen rasch identifiziert: Rassist_innen sind sich nicht zu schäbig, die Refugees selbst für ihr Sterben verantwortlich zu machen und die an den rechtsextremen Rand abgedriftete politische Mitte macht Fluchthelfer_innen für den Tod verantwortlich.

Martialismus wird als notwendig erachtet, wenn politisches Versagen kaschiert werden soll: Das Zeitalter des Kampfes gegen die Flüchtlingskrise ist ausgerufen.
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Kapitalismus beats Demokratie

Ein griechisches Nein, Oxi, zu den Vorschlägen der Troika wird marktradikale Ideolog_innen nicht beeindrucken.
Ein griechisches Nein, Oxi, zu den Vorschlägen der Troika wird marktradikale Ideolog_innen nicht beeindrucken.

Geht das heutige Referendum in Griechenland nicht im Sinne von Europäischer Zentralbank, Euro-Gruppe und dem Internationalen Währungsfonds aus, wird das demokratische Abstimmungsergebnis nichts an der offensichtlichen Absicht der deutschen Regierung, die „linke“ Syriza-Regierung in die Knie zu zwingen, ändern.

Ach Ochi, Kapitalismus beats bekanntlich Demokratie.
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Das Angst- und Todes-Universum einer mörderischen, verwüstenden Zivilisation

Those are the 'lucky' ones - Unterkunft von Flüchtenden im Hafen von Neapel
Those are the ‚lucky‘ ones – Unterkunft von Flüchtenden im Hafen von Neapel

Meine Nachbar_innen meines kleinen Universums sind 28 an der Zahl. Alle zeigten sie sich tief schockiert über die weiteren 800 Todesopfer. Opfer ihrer nachbarschaftlichen Verfasstheit. Opfer eines willkürlichen Regelwerks, das sie sachlich gerechtfertigt, alternativlos und ein klein wenig opportun betrachten.
Ihre Spin-Ärzt_innen fügten rasch Termine in den Kalender. Gedenkveranstaltungen. Schweigeminuten. Trauer und Betroffenheit. War auch eine Träne dabei?
Dem Schock folgte Tatendrang. Das Sterben an den mediterranen Urlaubsghettos müsse ein Ende haben.

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CETA – auf Erden gelebt

Save Roșia Montană - Rettet Roșia Montană
Save Roșia Montană

Macht sich die deutsche Hans-Böckler-Stiftung an das Thema CETA,  das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, bleibt eine Kernaussage: CETA gefährdet deutsche Sozialstandards.
Erstaunlich, wenn gewerkschaftliche deutsche Institutionen der Auffassung sind, deutsche Sozialstandards als Standards ansehen zu können. In welchem Land wird diskutiert, kleinen Gewerkschaften ihre Repräsentativität abzuerkennen? Welches Land generiert Schulden in und exportiert Arbeitslosigkeit nach Rest-Europa? Welches Land erfand Hartz IV, um arme Menschen zu bekämpfen und zu deklassieren? Anyway.

Wer CETA und die Interessen, die CETA vorantreiben verstehen möchte, sollte mal kurz Deutschland vergessen und einen genaueren Blick auf kanadische Verhältnisse werfen.
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Santiago Sierras Black Cone – ein Monument für den zivilen Ungehorsam

The Black Cone Monument to Civil Disobedience, Reykjavik Iceland
The Black Cone Monument to Civil Disobedience, Reykjavik Iceland

Die Abweichung von der Norm interessiert selbst die Geometrie. Liegt die Kegelspitze nicht in der Mitte der oder gar außerhalb der Kegelgrundfläche, wird auch ein Kegel spannend. Als der Künstler* Santiago Sierra seine Version des schwarzen Kegels entwarf, interessierte ihn weniger deviante Geometrie, sondern der schlaue Einsatz physikalischer Kräfte: Wo und wie kann angesetzt werden, um einen massigen Felsbrocken mit intelligent eingesetzter Kraft zu spalten. Sierra versteht diesen Prozess durchaus politisch.

Santiago Sierras schwarzer Kegel referenziert explizit auf eine der zahlreichen dunklen Seiten der ‚Errungenschaften‘ des christlich-fundamentalistischen Abendlands: Die demütigenden, kegelförmigen Kopfbedeckungen, die die Opfer der spanischen Inquisition tragen mussten.

In einer Performance, die am 20. Jänner 2012 vor dem isländischen Parlamentsgebäude startete, wurde der schwarze Gesteinsbrocken mittels weniger Keile ganz langsam zerteilt. Der 20. Jänner 2012 markierte den dritten Jahrestag jenes Tages, an dem das isländische Parlament aus dem Weihnachtsurlaub zurückgekehrt und von einer wütenden Menschenmenge empfangen worden war. Wenige Tage später war die Regierung zurückgetreten. An den Black Cone schraubte Sierra eine Tafel mit dem eingestanzten Artikel 35 der Erklärung der Menschen- und Bürger*rechte der französischen Verfassung vom 24. Juni 1793:

„Wenn die Regierung die Rechte des Volkes verletzt, ist für das Volk und jeden Teil des Volkes der Aufstand das heiligste seiner Rechte und die unerläßlichste seiner Pflichten.“

 

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Päng! Eine Geschichte über den ersten isländischen Terroranschlag

See Mývatn im Norden Islands - mý: Mücke, vatn: Wasser
See Mývatn im Norden Islands – mý: Mücke, vatn: Wasser

Rechtfertigt der Zweck die Mittel, wird Grimur Hákonarson gefragt. Rückblickend betrachtet definitiv, antwortet der isländische Regisseur*. Grimur Hákonarson spricht über einen terroristischen Sprengstoffanschlag. Und er steht mit seiner heutigen Einschätzung ganz und gar nicht alleine da. Viele Isländer_innen scheinen sich auf eine, genau diese eine Erzählweise geeinigt zu haben. Das war der erste terroristische Anschlag – und es war gut, dass die Terrorist_innen das gemacht haben, sagen sie.

Mitten in der Woche, in der Nacht vom 25. auf den 26. August 1970, begaben sich einige Männer beim See Mývatn im Norden Islands zu einem Damm am Oberlauf des Flusses Laxá í Aðaldal. Dann zerrissen einige Explosionen die Stille der Nacht.
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Geht und nehmet euch das Land

Land ist Freiheit und gutes Leben für alle
Land ist Freiheit und gutes Leben für alle

Aus Anlass der Räumung der Landbesetzung der SoliLa.

„Aber wie eine Zeit gekommen war, wo die Menschen die schlimmen Folgen der Leibeigenschaft erkannten und an der Gerechtigkeit und Notwendigkeit der Gesetze, die diese Institutionen erhielten, zu zweifeln begannen, ebenso muss man auch jetzt, wo die schlimmen Folgen der jetzigen wirtschaftlichen Ordnung offenbar werden, unwillkürlich an der Gerechtigkeit und Notwendigkeit der Gesetze zweifeln, die diese Folgen gezeitigt haben: der Gesetze über den Boden, die Steuern und das Eigentum.“ Leo Tolstoi

Dieser Zweifel muss überall gestreut werden, egal ob die vermeintlichen Besitzer_innen von Grund und Boden bzw. ihre Vertreter_innen Erb-Adelige, Arbeiter_innen-Adelige oder Bobo-Adelige sind.
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Wir Cybertarians *

Cybertarians* bei der Arbeit
Cybertarians* bei der Arbeit

Wir sind die Partei der Arbeit, rollplakatiert vor dem 1. Mai, dem Tag der Arbeit, die Wiener SPÖ. Noch nie schien ein Slogan so inhaltsleer zu sein. Und nicht nur, weil sich die Sozialdemokratie rapide fortschreitend sinnentleert.

Der 1. Mai ist das Fest der Arbeiter_innenbewegung. Genauer: Der organisierten Industriearbeiter. Der 1. Mai ist kein Festtag der Schwarzarbeiter_innen, kein Festtag der im formellen oder informellen Care-Bereich arbeitenden Frauen*, kein Festtag für die wachsende Zahl der entrechteten, prekären und ausgeschlossenen Menschen.
Der 1. Mai ist auch kein Feiertag der Cybertarians*, der Selbstausbeutenden, die sich ihrer Ausbeutung nicht einmal bewusst sind.

Cybertarians* sind eine der Folgen der radikalen Kommodifizierung. Jeder Bereich der Gesellschaft wird zu Ware, die in Geld bewertet wird. Cybertarians* sind das Ergebnis einer stillen Übereinkunft, einer geschmeidigen Transformation des Systems, des Auswechselns von Paradigmen und der Inwertsetzung von Gratisarbeit, von Arbeit, die keinen (Mehr)Wert bringt und angeblich Innovativem, des Ausstiegs einer dienstleistenden häuslichen Wirtschaft in eine Wirtschaft des aufgewendeten Outsourcings, der zugekauften Servicierung und der – wiederum – Umwandlung ebendieser externalisierten Dienstleistungen in Waren.

Cybertarians* sind gleichzeitig Teil und Phänomen dieses Prozesses, Cybertarians* sind wir alle, wir die bereitwillig unbezahlte Dienstleistungen erbringen. It’s smart. It’s capitalism.
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Zu den Protesten gegen den Abschiebeflug vom 11. April 2013

Menschenrechte mit Recht mit Füßen getreten? - Demokratie 2013

Kundgebung Stop Deportation, Wien 11. April 2013
Kundgebung Stop Deportation, Wien 11. April 2013

Auch wenn die breite Öffentlichkeit die dunkle Seite der nördlichen Hemisphäre verdrängt: Abschiebungen von Menschen finden statt. Was die derzeit noch reichen Länder noch weniger gerne wahrhaben wollen: Proteste gegen die Abschiebung von Menschen in eine ungewisse Zukunft finden ebenso statt.

Diesen Protesten wird mit allen Mitteln, die dem Staat zur Verfügung stehen, begegnet.

Am 11. April 2013 war wieder so ein Tag. Vom Flughafen Wien-Schwechat, der sich zur bereitwilligen Drehscheibe europäischer Abschiebeflüge empor arbeitete, wurden vermutlich mehr als 30 Abschiebeopfer deportiert. So genau weiß das in einer Demokratie niemand.
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