Dem Ursprung auf einer Spur

Sterben, Tod, Vergänglichkeit sind die Lieblingsthemen des Herbstes.
Wenn es stimmt, sind die hornigen Teile an Fingern und Zehen die einzigen, die nach dem Dahinscheiden noch wachsen.Angeblich wegen des langsamen Stoffwechsels der Nägel. Dass die Nägel am Ursprung der Schöpfungsgeschichte standen, ist auch nicht belegt. Als Indiz muss die Redewendung „Nägel mit Köpfen machen“ herhalten. Vertreter dieser Theorie sind wenig überraschend auch der Ansicht, dass die Urlaute bzw. in der späteren Entwicklung des kopftragenden Nagels die Ursprache „deutsch“ war. Noch viel später kam hinzu, dass das Deutsche allem anderen überlegen sei.
Verquerer geht’s zwar nicht mehr, aber den Leuten gefällt’s und was unterhält, kann nicht böse sein!

Jedenfalls findet sich im WWW keine zuverlässige Angabe, dass „Nägel mit Köpfen“ auch in anderen Sprachen redegewendet wird.

Überhaupt schweigt sich das WWW aus, wenn es darum geht, etwas über Nägel, der Pflege derselben oder den verfügbaren und praktischen Werkzeugen, die von speziell ausgebildetem Personal empfohlen werden, zu berichten.

Der Vorrat an Empfehlungen für die Nagelpflege-Werkzeugkiste ist dürftig: Feile, Schere, Zwicker oder Knipser. Die Feile kennen wir seit Grimms Märchen, war dort aber mehr eine Raspel und wurde zwecks Disziplinierung über den frechen Hobel geführt. Die Schere, ein ebenso geschätztes wie gefürchtetes Werkzeug, wird Kleinkindern gerne aus der Hand genommen. Im Struwelpeter wurden mit der Schere Haare und Finger gleichermaßen gekürzt. Heute findet die Schere hauptsächlich im ökonomischen Umfeld eine Hausse: Die Einkommensschere schneidet die Coupons vom Gehaltszettel. Ob sich die nette Aufforderung „Schert euch“ oder die „Gscherten“ auf die Schere rückführen lassen, entzieht sich leider meiner Kenntnis.

Aber wikipedia weiß auch nicht alles.

Von woher die Schere kommt? Wahrscheinlich früher. Aber was weiß der meyers.de? Keine Ahnung von Nagelzwicker, keine vom Nagelknipser!

Dabei ist das Ding überaus praktisch. Sitzt man in der Straßenbahn und fährt zur Arbeit, lässt sich die Zeit gut nutzen und man kann zur Maniküre schreiten. Wer länger pendelt, sagen wir Schnellbahn 50 km plus, kann gut und gerne auch seine Zehennägel damit stutzen. Zusatznutzen bei der Dislokation von Körper- und Nagelpflege ist dabei, dass durch den beidseitigen Druck auf das spröde Teil evtl. in die nähere Umgebung, sagen wir, S-Bahn-Abteil 2 m minus, katapultierte Teilchen, weder gesucht, noch weggeräumt werden müssen.

Junge Interrailer können so sogar sicher stellen, auf diese Weise Teilchen ihrer Aura in der weiten Welt zu verstreuen. [An dieser Stelle wird darauf verzichtet, sich darüber auszulassen, wer schon alles meine Atemluft im Mund hatte.]
Es ist schon eine zeitlang aus, dass ich mich mit dem PKW nach Portugal aufmachte und wegen einer Autopanne zum Bahnreisenden wurde. Nicht nur die Anreise dauerte, auch die Reise. Das Selbstinfektionsrisiko stieg mit jedem Tag, und nach einem Monat oder so, konnte man nicht einmal eine Tastatur bedienen, da ständig zwei oder mehr Tasten gleichzeitig gedrückt wurden.

Ein Nagelzwicker musste her! Günstig, klein, effektiv. Wie es der Zufall so will, trafen meine Begleiterin und ich einen Deutschen, mit dem sich auf einer Straße in Coimbra wegen unserer Nöte ein Gespräch entspann. Der Deutsche bot einen Spiegel an, den er nicht mehr brauche. Das schien uns ein wenig übertrieben, gar ein wenig versnobt zu sein. Meine Begleiterin schaltete schnell. Nein danke, Spiegel brauchen wir keinen, aber hast du einen Nagelzwicker? Die Verwirrung war perfekt, aber jetzt hatten wir was zu lesen.

Als ich Jahre später in Girona eine Parfümerie betrat, ließ ich wieder einmal außer Acht, dass Finger- und Zehennägel nicht nur im Tod, sondern bereits davor wachsen. Die Verkäuferin war ausgesprochen nett und hatte ihren Spaß mit mir. Sie verstand sofort und führte mich zur Nagellackabteilung. Zum Nagelzwicker, ein feines Gerät mit Schieber zum Schutz vor Verflug (siehe Foto), bekam ich ein Duftfläschchen gratis dazu. Das schien mir nicht mehr übertrieben, sondern passend. Man wird älter.

Ich weiß noch immer nicht, wem die Menschheit dieses viel zu wenig wertgeschätzte Ding zu verdanken hat.

Fünf Meter lange Regale mit Enzyklopädien werden hervorgebracht. DVDs werden bis zum letzten Sektor beschrieben, aber kaum ein Hinweis auf eine Erfindung, die keine 200 Jahre her sein kann. Die englische Ausgabe von wikipedia nennt einen Chapel Carter, das Jahr 1896 und einen gewissen Nicholson Baker, der eine kurze Geschichte über den Nagelknipser 1997 verfasste.
Die Webseite  http://1006-w08.wikispaces.com/Nail+Clipper nennt neben Chapel Carter auch noch eine Person namens Izzak Walton und eine mit Namen Mr. Clipper, der 1793 diese wunderbare Eingebung gehabt haben soll. Der Freundeskreis der deutschen Dominanz, siehe oben, glaubt bestimmt, dass die Brüder Zwicker und Knipser 1492 dieses Utensil im Auftrag des Spanischen Königshofes erfanden, um die Seefahrer nach Indien wenigstens äußerlich zu zivilisieren.

Gesichert ist folgendes:

Vor gut zehn Jahren, am 15. September 1998, wurde von Kirk Langman und Kenneth Tarlow unter dem US Patent Nr. 5806186 ein kombinierter Fingernägel- und Zehennägelknipser angemeldet. Als Begründung für ihre Erfindung führen die beiden folgende Argumente ins Treffen: Da Finger- und Zehennägel verschieden groß sind, insbesondere der Nagel der Großen Zehe, sehen sich die meisten Menschen veranlasst, deren zwo Knipser anzuschaffen: einen kleinen für die Fingernägel und einen, je nach Beschaffenheit, größeren für die Zehennägel. Es erschien also zweckmäßig einen einzigen Zwicker zu konstruieren, der für die Endungen beider Extremitätentypen geeignet erscheint. Zudem ist es kostengünstiger ein Kombigerät mit beiden Funktionen zu produzieren, als zwei Geräte mit nur einer einzigen Funktion.

Nailclipper S
Nailclipper S
Nailclipper XXL
Nailclipper XXL

 

Maniküre und Pediküre sind wieder vereint! Vielleicht macht da mal jemand eine Metapher daraus.

Thx Kirk, thx Kenneth!

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