Wie schlingern im Meer

Eigentlich bin ich fein raus. Meine Vorsorgeprodukte betragen € 0,-.
Was also kümmert mich der stetige Zerfall der Finanzwirtschaft?

Die einzige Versicherung, in die ich investiere ist die gesetzliche Sozialversicherung. Mein Laptop ist nicht diebstahlsversichert. Gerne würde ich ihn mir unrechtmäßig entwenden lassen. Nachdem der gesetzlich vorgeschriebene Garantiefall verfallen ist, heult der Lüfter wie wild. Das nervt. Mein Fahrrad steht im Abstellraum. Der Rost der Zeit nagt an ihm seit ich es gekauft habe. Angeschweißte Teile brechen nach einem halben Jahr einfach weg. Manchmal hole ich es nach Tagen an irgendeiner Ecke ab. Von weitem sehe ich es neben angeketteten Fahrradrahmen oder einzelnen Rädern. Nicht einmal die weggebrochenen Teile, die gekonnt mit Klebestreifen mit dem Hauptteil verbunden sind, wollen Diebe haben.

Und sonst?

Ich bin Teilhaber einer Mitarbeitervorsorgekasse. Nicht wirklich. Mein Staat meint, meine Abfertigung für mich veranlagen zu müssen. Mein Staat meint, dass mein Arbeitgeber sich im Wirtschaften recht gut auskennt. Deswegen meint mein Staat, dass mein Arbeitgeber aussuchen soll, welchem Unternehmen meine Abfertigung anvertraut werden soll. Diese Mitarbeitervorgekasse beschäftigt Experten, denen es obliegt, sich um eine verantwortungsvolle Veranlagung meiner Abfertigung zu kümmern.

„Das alte Abfertigungsrecht ist von den Menschen als ungerecht, unfair und die Mobilität hemmend empfunden worden“, begründete Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein die Notwendigkeit zur Umstellung von der Abfertigung alt zur neuen Mitarbeitervorsorge. (www.wirtschaftsblatt.at)

Die Börse bringt allen was oder ist das die Post?

Die Post brachte mir heute meinen Auszug über meine Anwartschaften aus der Abfertigung neu. Unverhofft Weihnachten. Man öffnet die Verpackung und – findet darin kleinkarierte Socken. Oder einen kleinkarierten Schal.

Sie kennen die Rendite von kleinkarierten Socken? Meine Abfertigungs-Socken gewinnen nicht einmal ungetragen und wohlriechend. Verwaltungskosten € 9,98. Barauslagen gem. § 26 Abs. 5 BMSVG € 1,36. Vermögensverwaltungskosten 0.50. Abfertigungsbeiträge des Arbeitgebers € 482,04. Abfertigungsanwartschaft € 468.61. Mein von Dritten (Experten!) lukriierter Veranlagungserfolg beträgt satte € -1,59!

Sie meinen Marktanpassung? Wertberichtigung?

Ein unintelligentes Sparbuch, 2 %, täglich fällig, oder besser, in die taz-Genossenschaft investieren. Dann wäre wenigstens das Zahnbürstenset meines.

Mein Mikroökonomiekosmos ist nicht gleich Makroökonomie.

Sie sagen, mit meinem negativen Veranlagungserfolg sichere ich den Börsenstandort Österreich, und andere € 1.600 Millionen spekulative Abfertigungsanwartschaften (Ende 2007). Und ohne Börsenstandort Österreich überhaupt kein Standort mehr. Untergang und Hungerrevolte inklusive.

Vermögenszuwachssteuer? Null problemo.

Verluste sind gerecht, fair und die Mobilität fördernd.
Mit Verlust ist zu rechnen. Im Irak, in der Marktwirtschaft, im Leben sowieso und anderswo.

Wie eine Zille schlingernd im Meer.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

uebers meer