Occupy Vienna

Betrachten wir diese wunderschöne Bewegung als wichtigste Sache der Welt. (Naomi Klein)

Ich bin Langschläfer_in. Der betriebsame Tag kann mir von je her gestohlen bleiben. Aber der heutige Tag ist ein ganz besonderer.

Globaler Frühling statt global warming.

Gestern kramte ich zwischen alten Filmdosen, mehreren Walkmans mit Recordingfunktion und einem Oma-Handy für das D-Netz meinen Wecker hervor. Ein alter AA-Akku lag auch irgendwo dazwischen. Tick, tick, tick. An das Geräusch einer analogen Uhr muss man sich beim Einschlafen erst gewöhnen.

Der Wecker läutet nicht. Er brummt. Unfreundlich und in kurzen Intervallen. Der Mond wirft sein metallisches Licht auf meine Matratze. Hell, klar und kalt blitzt die Nacht noch ins Zimmer. Verrückt, aber heute  ist ein besonderer Tag, den ich besonders begehen will.

Ich wanke aufs Klo und dann ins Bad. Mein 7-Tages-Bart wird heute abgenommen, nehme ich mir nach einem verschlafenen Blick in den dreiteiligen Noname-Allibert vor. An die Faltencrème sollte ich auch öfters denken. Ein Vorsatz, mehr wahrscheinlich nicht, sinniere ich, während an der Wohnungstür ein kurzes Aufklatschen am Boden die Ankunft der Zeitung signalisiert. Metallerstreiks ausgeweitet.

Rot, was sonst, heute kann es nur der rote Nagellack sein, nicht unbedingt mein Lieblingsnagellack und nur meine linken werden herausgeputzt. Meine Prinzess_innenkleider habe ich neben der Dusche bereit gelegt. Ich nenne sie immer Meine Prinzess_innenkleider, denn sie passen mir wunderschön und am wunderschönsten finde ich die Satin-Röschen am Oberteil. Meistens laufe ich nur in öden Blue Jeans, die mit dem Schlitz im Gesäß, herum und freue mich über neugierige Blicke auf der Straße.

Yes We Camp, OWS
Yes We Camp, OWS

Heute werden die Angesammelten noch zu schwach sein. Doch bald werden sie so stark sein, dass sie wie eine Lawine herniederschmettern auf alle, von denen sie jetzt ausgebeutet und ausgesaugt werden. Danach werden sie die Herren [sic!] von dem werden, was ihnen jetzt nicht gehört. Dann werden ihnen auch die Geldpaläste gehören.
Rief der Rotgardist in die Menschenmenge.

Am 9. November 1918 zog der Schriftsteller Franz Werfel mit vielen anderen vom Parlament zum Schottentor und weiter zum Wiener Bankverein, wo er nach Aussagen des Polizei-Bezirksinspektors Rudolf Schupp diese Rede gehalten haben soll.

In einer polizeilichen Vernehmung am 21. November bestätigte der Ur-Christ Franz Werfel die ihm zugeschriebenen Außerungen, bestritt aber den Aufruf zur gewaltsamen Erstürmung des Wiener Bankverein. Im Gegenteil: Der Endsieg [sic!] ist gesichert und deshalb sollte alles unterbleiben, was der Würde der Kundgebung abträglich ist. Als Versuch der Kalmierung sei Werfels Wortmeldung zu verstehen. Der vernehmende Polizist Dr. Johann Presser schenkte Werfels Aussage Glauben, wies ihn aber auf mögliche Folgen hin, da er in Österreich kein Heimatrecht besitzt und „nach Prag zuständig sei“.

Wir lernen: Sozialkampfrhetorische Christ_innen und Schüblinge [sic!] haben in Österreich traurige Tradition.

Quelle: Hans Hautmann, Die verlorene Räterepublik, Europa-Verlag.
Links:
http://takethesquare.net/
http://october2011.org/
http://nycga.cc/
http://www.occupytogether.org/
http://www.walktobrussels.eu/
http://www.wege-aus-der-krise.at/
http://akin.mediaweb.at/

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