Hauptsache deutsch, Nikolo und türkis

„Ich möchte ein Guter sein, also wähle ich ANTIFA“ wird in dieser Wahlplakat-Intervention dem Spitzenkandidaten der Sozialdemokratischen Partei in die Sprechblase gelegt.

Für die Wahlentscheidung, falls person sich an dieser demokratischen Posse überhaupt beteiligen möchte, die eine halbe Million Menschen, die hier leben, von der Wahl ausschließt, zur Erinnerung:

Die SPÖ lehnt das Wahlrecht für alle Wiener_innen entschieden ab.
Die SPÖ tritt vehement für die Zerstörung des Nationalparks Lobau / Donauauen ein.
Die SPÖ denkt nicht im Traum daran, die skandalöse Campierverordnung zu ändern, die vor allem gegen Protestierende eingesetzt wird.
Die SPÖ zerstört mutwillig Schlaf- und Rastmöglichkeiten für adressenlose Personen.
Die SPÖ delogiert aus den Gemeindebauten, wenn die Miete nicht mehr gezahlt werden kann.
Die SPÖ verkauft nach wie vor Gründe und Immobilien an Spekulant_innen.
Die SPÖ unternimmt nichts, wenn Immobilien-Spekulant_innen mutwillig Altbauten zerstören, um sie in einen abbruchreifen Zustand zu versetzen.
Die SPÖ hat keine klare Positionierung zum Lueger-Denkmal.
Die SPÖ lehnt Gratis-Öffis ab und kooperiert regelmässig mit der Polizei, um ein paar Schwarzfahrer_innen zu schnappen, die oft nicht einmal die aufgebrummte Strafe bezahlen können.
Stattdessen steht die SPÖ für den ungehinderten motorisierten Individualverkehr.
Die SPÖ steht für die Zukunft des Autonomen Kultur- und Sozialzentrums EKH (wer’s glaubt).

Die Welt kann nicht rund und eine Scheibe sein

Das Akronym (Abkürzung) EKH steht für Ernst-Kirchweger-Haus. Der pensionierte Arbeiter und Antifaschist Ernst Kirchweger war das erste politische Todesopfer nach dem 2. Weltkrieg, der als Unbeteiligter an den Auseinandersetzungen bei einer Demonstration gegen einen früher katholisch-nationalen, später nationalsozialistischen Professor an der Wiener Wirtschaftsuniversität von einem Mitglied des Rings Freiheitlicher Jugend (Quelle: Walter Kohl, siehe Buchtipp) erschlagen wurde.

Der Shoa-Überlebende Rudi Gelbard (1930 – 2018) erinnert sich in der Biografie Die dunklen Seiten des Planeten:

„Diese Schlägereien waren unvorstellbar, was sich da getan hat! Es wurden Gendarmerieverstärkungen aus den Bundesländern geholt, in fast allen Straßen der Innenstadt gab es Schlägereien, die sich sehr lange hingezogen haben.“ […] Wir waren nicht bereit, wie spätrömische stoische Philosophen zu sagen: Lieber Freund, das geht schon ein bisschen zu weit. Sondern es wurde auf sie eingeschlagen, es war eine ganz massive Schlägerei.“

2020 attackierten organisierte Rechtsextreme in Favoriten Antifaschist_innen. Eine feministische Demo, Kurd_innen und Antifaschist_innen konnten sich im letzten Moment in das EKH retten. Als ich das hörte, war ich wieder einmal froh und glücklich, dass es in Wien einen Ort wie das EKH gibt.

Was fällt der neuen Volkspartei Wien dazu ein? Das EKH gehört geschlossen.
Was fällt der neuen Volkspartei Favoriten dazu ein? Das EKH gehört geschlossen.

Die neue Volkspartei entwickelt eine zunehmend gefährliche politische Dimension, die entweder von völliger historischer sowie politischer Ahnungslosigkeit geprägt ist oder vorsätzlich und kalkuliert ist: Für Ahnungslose die Propagierung der Vorstellung einer positionslosen Äquidistanz-Demokratie, die nicht rund und keine Scheibe ist. Für alle anderen die wenig verhüllte Botschaft, dass alles was nicht rechts ist, ausgemerzt* werden muss.

Ein Leben ohne Luft. Egal, wie viele ersticken. Hauptsache deutsch, Nikolo und türkis.

Buchtipp:
Walter Kohl, Die dunklen Seiten des Planeten. Rudi Gelbard, der Kämpfer, Edition Geschichte der Heimat. 2008.

* Der Begriff Ausmerzen stammt aus einer bäuerlichen Gesellschaft, wo im März, die Nutziere geschlachtet wurden, die zu schwach, zu krank oder zu widerborstig / gefährlich schienen und keinen Profit in der Zukunft versprachen.

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