Ich bin bergextrem

Bergextremismist_innen wollen keinen Kies, sie wollen das ganze Schotterwerk
Bergextremist_innen wollen keinen Kies, sie wollen das ganze Schotterwerk

Wer mich kennt weiß, das anödende Mittelmaß ist mein Ding nicht. Grenzen niederreißen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet, Untiefen erforschen, wenn andere die Brücke wählen, in unbekannte Räume vordringen, wenn viele die Entscheidung zur Umkehr treffen würden, wurde mir in die zartrosa und blau blümchenbemalte Wiege gelegt.

Wenn manche sagen: Kirchen von außen, Berge von unten, Wirtshäuser von innen, sträubt es sich in mir, eine geballte Ladung extremen Widerwillens stößt an meine durchtrainierte Magenmuskulatur.

Einmal pro Jahr zieht es mich in die Berge. Erraten: Der Paraplui-Berg ist eine Aufgabe für leger gekleidete Sandalentourist_innen, die Hohe Wand-Wiese ein aus den Neigungswinkeln geratener Volksgarten. Ein Berg ist für mich natürlich dort, wo am Fuße des Massivs schon der nackte Fels hervortritt, wo in den Felsspalten das Edelweiß im spärlichen Gämsenhumus seine Wurzeln verstrebt, das Dorf tief unten im Tal so winzig und klein wirkt wie aus einer miserabel gefaketen Weltraummission.

Bergextreme Perspektiven
Bergextreme Perspektiven

Um in den Genuss dieses extremen Vergnügens zu kommen, braucht es freilich aufwändige Vorkehrungen und eine gehörige Maßlosigkeit dynamischer Eigeninitiative. Schon die Anreise ins Hochgebirge scheuen die meisten. Mit der unruhig wankenden und rüttelnden Gebirgsbahn mit der tourismusgebrandeten Bezeichnung S 7 geht es dahin, Stopps in jeder noch so kleinen Ansiedlung machen die Fahrt zur Geduldsprobe. Nur in dem nicht sonderlich berühmten Marien-Wallfahrtsort mit seiner Berggrotte öffnen stark gealterte Fahrgäste behäbig die Türen der verwitterten Zugsgarnituren, in der Hoffnung, dass hier ihre Leiden und Gebrechen geheilt oder wenigstens gelindert werden.

Nach einer Ewigkeit von Minuten am Zielort angekommen, erwartet uns ein kräftiger Fußmarsch zum Rand des Massivs. Die aufsteigenden Wassernebel der nebenan tosenden Ache lassen die tiefen Schluchtwälder in verhangenem Smaragdeidechsengrün erscheinen. Vor uns liegt im antagonistischen Kontrast gerippebleich und von der Einwirkung der erodierenden menschlichen Naturgewalten stark gezeichnet der steil ansteigende Gebirgsstock meiner extremen Fantasien: Die Hundsheimer Alpen.

Das ist Bergextremismus.

 


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