Protestierenden Wiener Refugees droht akut die Abschiebung nach Ungarn

Refugee Protest vor dem Haus der Europäischen Union in Wien, Januar 2013
Refugee Protest vor dem Haus der Europäischen Union in Wien, Januar 2013

Trotz schwerer menschenrechtlicher Bedenken plant Österreich zwei protestierende Refugees nach Ungarn abzuschieben.

Abgeschoben sollen Hussain Mazar und Mohammed Abdsallam werden. Hussain Mazar soll morgen nach Ungarn abgeschoben werden, obwohl nach vorliegenden Informationen nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, dass Hussain tatsächlich über Ungarn nach Österreich einreiste.

„Wenn du wissen willst, was Ungarn für Flüchtlinge bedeutet, dann musst du versuchen zu verstehen, was es heißt, sechs Monate in einem Gefängnis zu leben, das nur mit Tramadol (Anm.: Opioid) zu ertragen ist. Ungarn ist das einzige mir bekannte europäische Land, das Menschen in Hochsicherheitsgefängnisse sperrt, nur weil sie einen Asylantrag gestellt haben. Dabei hat Ungarn die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet.“ (A.A., Flüchtling aus dem Iran) Quelle: http://content.bordermonitoring.eu/bm.eu–ungarn.2012.pdf

Ungarn steht trotz EU-Mitgliedschaft seit der Änderung des Asylgesetzes im Jahr 2010 unter schwerem internationalen Druck.

Karl Kopp von Pro Asyl berichet dem österreichischen Nachrichtenmagazin profil: „Haft und Gewalt werden systematisch zur Abschreckung eingesetzt. Da gab es alle Formen von Gewalt und Erniedrigung.“

Die Vorwürfe gegen Ungarn sind schier endlos:

  • Gewalt gegen geflohene Menschen, verbal und physisch
  • Rassistische Übergriffe und Bedrohungen
  • Zwangsweise Verabreichungen von suchterzeugenden Drogen/’Medikamenten‘ an geflohene Menschen
  • Inhaftierung in Hochsicherheitsgefängnissen
  • Abschiebungen in Länder, in denen nachweislich Gefahr für Leben und Gesundheit der geflohenen Menschen besteht
  • Verweigerung adäquater medizinischer Behandlungen und Hilfeleistungen

Diese Vorwürfe stammen nicht von irgendwem.
Sie werden von der UN Refugee Agency (UNHCR) im Frühjahr 2012 erschienen Bericht „Ungarn als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn“ erhoben.
Die menschenunwürdige Behandlung von geflohenen Menschen wird in diesem Bericht wie folgt beschrieben:

„Werden inhaftierte Asylsuchende von der Einrichtung zu mündlichen Verhandlungen zum Gericht oder zu Erledigungen außerhalb der Einrichtung (etwa zur Bank oder zum Postamt) begleitet, legt man ihnen Handschellen an und führt sie an Leinen.“

Wenn Minoritäten in Ungarn als Tiere bezeichnet werden, darf es nicht mehr überraschen, wenn Menschen wie Hunde an der Leine geführt werden.

Das UNHCR hält in dem Bericht fest, dass „die derzeit in Ungarn vorhandenen Aufnahmebedingungen und Dienstleistungen nicht den internationalen und EU-Standards betreffend die Aufnahme“ entsprechen.

Als besonders problematisch werden die Dublin-II-Überstellungen bezeichnet. Dublin-II-Überstellungen sind Abschiebungen von einem EU-Binnenstaat in den EU-Binnenstaat aus dem die Überschreitung der EU-Außengrenze erfolgte. Das UNHCR stellte fest, dass nach Ungarn abgeschobene Menschen, nicht automatisch als Asylsuchende gelten. Wurde bereits im abschiebenden Land ein Asylantrag gestellt, wird ein Asylantrag in Ungarn nur mehr als Folgeantrag betrachtet. In den meisten Fällen folgt nach der Rückkehr nach Ungarn auf eine Abschiebungsanordnung automatisch die Verhängung von Verwaltungshaft. Eine Abschiebung in einen unsicheren Drittstaat ist jederzeit möglich, „selbst wenn ihre Asylanträge noch nicht inhaltlich geprüft wurden“.

Das UNHCR stellt fest:

„Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Antragstellende, die unter Dublin-II fallen, keinen gesicherten Zugang zu Schutz haben.“

Die Republik Österreich, das österreichische Innenministerium, schiebt offenbar dennoch Schutzsuchende nach Ungarn ab.

Ferenc Köszeg, Ehrenvorsitzender des Ungarischen Helsinki-Komitees verlangt deshalb von der Europäischen Union, „ihre eigene Moral und Prinzipien der internationalen Flüchtlingsschutznormen“ ernstzunehmen.

Deshalb der Aufruf:
Lasst die gefangenen Refugees nicht allein, protestiert gegen die Abschiebung!

Protestiert bei Behörden gegen die Abschiebung von Hussain Mazar und Mohammed Abdsallam.

Stop deportation! Flucht ist kein Verbrechen!

Update: An dieser Stelle befand sich die Ankündigung einer Kundgebung. Da diese wahrscheinlich nicht angemeldet wurde, musste sie entfernt werden…

Links:
Bericht der UN Refugee Agency (UNHCR) „Ungarn als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn“ http://www.unhcr.at/fileadmin/rechtsinfos/fluechtlingsrecht/2_europaeisch/2_2_asyl/2_2_1/FR_eu_asyl_dublin-HCR_HUN_Bericht.pdf
Positionspapier von Amnesty International zur Ausschaffung von Refugees nach Ungarn: http://www.amnesty.de/files/Amnesty_Positionspapier_Rueckueberstellung_nach_Ungarn_Oktober_2012.pdf
Deutsche Rechtssprechung zu Asylverfahren unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Situation in Ungarn: http://www.asyl.net/index.php?id=11&no_cache=1&tx_ttnews[cat]=419
http://refugeecampvienna.noblogs.org/

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