Wenn der Fußball Citoyen* wird

Dr. Sócrates bei einer Demonstration von "Rechte Jetzt" Photo by Jorge Henrique Singh (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Dr. Sócrates bei einer Demonstration von „Rechte Jetzt“ Photo by Jorge Henrique Singh (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Citoyen_ne zu sein ist nicht Ausdruck einer offiziellen Bescheinigung, sondern eine Haltung. Menschenwürde braucht keine Papiere. Menschenwürde braucht Respekt.

Diese Behauptung wird wieder spielerisch zum Leben erweckt, wenn am 2. Juni am Wiener Sport-Club-Platz mit Unterstützung der Freund_innen der Friedhofstribüne der Ute Bock Cup 2013 ausgetragen wird.

Mit dabei u.a. das Refugee Protest Camp, dessen Spieler* auf Grund eines willkürlichen und repressiven Fremdengesetzes in ständiger Angst vor Deportationen leben müssen.

2012 strahlte arte den Film Rebellen* des Fußballs aus. Der frühere Fußball-Rebell Eric Cantona erzählt in dem Film, der es bislang in keine hiesigen Lichtspiele geschafft hat, die Lebensgeschichte von fünf Fußballlegenden, die für ihr Leben im Widerstand und wegen ihrer herausragenden sportlichen Leistungen in die Geschichte eingingen.

Rachid Mekhloufi musste als neunjähriger Junge die Massaker von Setif miterleben, bei denen zehntausende Algerier_innen von französischen Kolonialist_innen ermordet wurden. Mekhloufi wurde später von einem Fußballscout entdeckt und beim Klub AS Saint Etienne engagiert. Vor der Weltmeisterschaft 1958 in Schweden entschied Mekhloufi, nicht auf der Seite der französischen Nationalmannschaft am Wettbewerb teilzunehmen. Er ging in den algerischen Untergrund und gründete für die WM ein FLN-Team. Mekhloufi entschied sich mit diesem Schritt gegen großen Ruhm und hohe Gagen und für sein politisches Anliegen. Rachid Mekloufi avancierte zum Symbol des algerischen Befreiungskampfes. Im Film Rebellen des Fuballs wird er sagen: „Ich war ein verwöhntes KInd des Fußballs und von Saint Etienne. Aber Algerier_innen wurden nie als Französinnen oder Franzosen gesehen.“

Poster Rebelles  du Foot
Poster Rebelles du Foot

Ebenfalls ein Rebell gegen herrschende Machtverhältnisse ist Predrag Pašić, ehemaliger Spieler* der jugoslawischen Nationalmannschaft. Im Sarajevo in Zeiten des Krieges gründete Pašić die Fußballschule Maikäfer, Bubamara. Kinder und Jugendliche wurden (und werden immer noch) ungeachtet ihrer Herkunft und ihrer Überzeugungen nicht nur fußballerisch gebildet. Bubamara hat nach wie vor mit nationalistischen Anfeindungen und finanziellen Nöten zu kämpfen.

Andere Protagonisten*, die Eric Cantona im Film vorstellt, sind Didier Drogba („Jemand flüsterte in mein Ohr, dass es Zeit für ein Zeichen sei. Dann improvisierten wir“), der sich für die Befriedung des Bürger_innenkriegs in der Republik von Côte d’Ivoire einsetzte, und der chilenische Kicker* Carlos Caszely. Caszely war Unterstützer* des vom Putschisten* Pinochet ermordeten Präsidenten* Salvador Allende. Für diese Unterstützung wurde die Mutter Caszelys von den Schergen Pinochets ins Gefängnis geworfen und gefoltert.

Doutor Sócrates, Doktor Sócrates, machte jedes Spiel seines Teams Corinthians zu einer Manifestation gegen die herrschende Militärdiktatur. „Unser Ziel war es sich frei auszudrücken, Meinungen, Gefühle. Unsere Gruppe arbeitete in der Fußballwelt und wir entschieden uns abzustimmen, über alles. Alles musste diskutiert werden.“ Diese Praxis ging als die Democracia Corintiana in die Geschichte (und wenigstens in die portugiesischsprachige Wikipedia) ein.

 

 

Die neuen Rebell_innen des Fußballs

„Während des Trainings im Sportzentrum Marswiese in Wien-Hernals wurden die Spieler* des FC Sans Papiers kontrolliert und einige in Schubhaft genommen. Augenzeug/innen berichten von einer Großrazzia mit über 100 Beamt/innen. Mit Bussen wurden die Spieler in das Schubhaftgefängnis gebracht“, notierte vor drei Jahren die Seite von FairPlay, Viele Farben. Ein Spiel. Der FC Sans Papiers verlor durch Deportationen nicht nur viele Spieler*, einige getrauen sich wegen der andauernden Repression auch nicht mehr zum Training oder zum Spiel zu erscheinen, berichtet das britische Fußballzine When Saturday Comes.

Ute Bock Cup 2013
Ute Bock Cup 2013

Das derzeit geltende Fremdenpolizeigesetz bietet weiter reichende Möglichkeiten als andere Gesetze. Vermutet die Fremdenpolizei, dass sich eine Person ohne Dokumente in einer Wohnung aufhält, kann ohne weiteres in die Wohnung, in das Haus eingedrungen werden.
Die widerständigen Kicker_innen der Sans Papiers werden in der Festung Europa zu den gegenwärtigen Rebellen_innen des Fußballs.

„Les Rebelles du Foot lässt uns auch ahnen, was möglich wäre, wenn die weltweite Popularität dieses Sports vermehrt genutzt würde, um für Menschenwürde und Frieden einzustehen“, schreibt der Schriftsteller* Pedro Lenz.

Citoyen_ne zu sein ist eben nicht Ausdruck einer offiziellen Bescheinigung, sondern eine Haltung. Menschenwürde verlangt eben keine Papiere, sondern Respekt.

Machen wir diese Möglichkeit wirklich.

Wann: Sonntag, 2. Juni 2013, ab 10 Uhr
Wo: Wiener Sport-Club Platz, Alszeile 19, 1170

Mehr Infos zum Turnier und dem netten Rahmenprogramm auf Ute Bock Cup 2013.


Links:

WSC – When Saturday Comes – Britische Reportage über den FC Sans Papier http://www.wsc.co.uk/the-archive/923-Europe/7745-target-practice

Der Maikäferklub FC Bubamara http://www.bubamara.ba/

Vertrieb von Les Rebelles du Foot arte http://www.arte.tv/fr/les-rebelles-du-foot/6726334,CmC=6727602.html

Produktion von Les Rebelles du Foot http://www.13productions.fr/les-rebelles/

Schwerpunkt zu Sans Papiers auf no racism http://no-racism.net/thema/86/

The Sans Papiers Movement www.noborder.org/without/france.html

Familien und FreundInnen gegen Abschiebung https://familienundfreundinnengegenabschiebung.wordpress.com/

Mondiali Antirazzisti http://www.mondialiantirazzisti.org/new/?lang=de

 

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