Aha-Erlebnisse mit und ohne Krugman

Die größte Krise seit 1929 sagen sie. Kollektiv vergessen wird der 2. Weltkrieg.

Aha. Aha. Austria. Sagt Ökonom Paul Krugman. Und spricht nur aus, was die Pleite-Geier schon seit längerem von den Dächern pfeifen, sagt Krugman.Die österreichischen Banken gewährten großzügig Kredite in Osteuropa, polierten mit den schnellen Gewinnen in den ehemaligen Kronländern der Monarchie ihre Konzernbilanzen kräftig auf, und im Zuge der Wirtschaftskrise sollen diese faul und uneinbringlich werden. Der Internationale Währungsfonds warnt gar vor „verheerenden Folgen“. Die kennen unsere Metternichs nich. Galizien schmiert uns nicht noch einmal an.

Zeit nicht nur alte Bücher der Bibliothek zu entstauben. Context XXI, Ausgabe 2/2000 zum Beispiel.

Niemand konnte ahnen. Alle AnalystInnen waren auf Spekulationen angewiesen. Dann immer wieder böses Erwachen. „Und seit Anfang des Jahrzehnts boomen scheinbar unaufhörlich die Aktienmärkte, obgleich immer wieder vor dem ganz großen Crash gewarnt wird, der nicht nur die Aktienmärkte, sondern auch ganze Volkswirtschaften mit in den Abgrund reißen soll“, schreibt Politologe Michael Heinrich vor neun Jahren und beschreibt unter dem Titel „Globalisierter Konkurrenzkapitalismus“ die Unzulänglichkeit der Marxschen Kritik. Hier interessiert aber mehr die Analyse von Michael Heinrich über den zu erwartenden Systemcrash:

LOL - ein schützender Schirm wird gespannt
LOL – ein schützender Schirm wird gespannt

„Die Verschuldung der Unternehmen, schnell steigende Aktienkurse, scharfe Bewegungen der Zinsrate etc. sind an sich noch keine Anzeichen dafür, daß der Kapitalismus rein ökonomisch (also nach seinen eigenen Kriterien) aus dem Ruder laufen würde – wie es die Rede vom ‚Kasinokapitalismus‘ häufig suggeriert. Auch größere Crashs an Aktien- und Devisenmärkten sind keineswegs Vorboten eines endgültigen ‚Zusammenbruchs‘ (von was auch immer – wie ein endgültiger Zusammenbruch des Kapitalismus eigentlich aussehen soll, darüber schweigen sich dessen Propheten aus). Sie sind vielmehr die ’normale‘ Durchsetzung des einzigen Zwecks kapitalistischer Produktion: eine höchstmögliche Verwertung des eingesetzten Kapitals zu erreichen. Daß dieser ’normale‘ Durchsetzungsprozeß ‚krisenhaft‘ vonstatten geht, daß er mit der Verarmung von ganzen Bevölkerungsteilen oder der Verelendung ganzer Regionen erkauft wird, heißt nicht, daß sein Zweck (Profitmaximierung) verfehlt wurde, es zeigt nur, daß dieser Zweck im Konfliktfall keinen anderen neben sich duldet.“

Michael Heinrich beschrieb bereits im Jahr 2000, dass die „gute“ Realwirtschaft Teil des heute ach so bösen Finanzkapitalismus wurde: „Die stürmische Entwicklung der Finanzmärkte in den 90er Jahren ist nicht nur Ergebnis einer spekulativen Überhitzung, sie ist vor allem Ausdruck eines grundsätzlichen Strukturwandels. Immer häufiger finanzieren sich Unternehmen nicht mehr mit Krediten ihrer ‚Hausbank‘, sondern direkt an den Finanzmärkten, indem sie entweder selbst Anleihen auflegen, zusätzliche Aktien ausgeben oder ganze Unternehmensbereiche ausgliedern und als selbständige Tochterunternehmen an die Börse bringen.“

Zappenduster

Düster und – aus heutiger Sicht realistisch – Heinrichs Zukunftsaussicht: „Der neue ‚globale Konkurrenzkapitalismus‘ wird sich wesentlich ungehemmter entwickeln als in den vergangenen Jahrzehnten, es wird zu größeren sozialen Spaltungen kommen (sowohl innerhalb der entwickelten Länder, wo ‚erste‘ und ‚dritte‘ Welt ganz nah zusammenrücken, was schon heute nicht nur in New York oder Los Angeles zu besichtigen ist) und wahrscheinlich auch zu häufigeren und schärferen Krisen führen, die mit Verelendungstendenzen einhergehen, welche ganze Regionen betreffen und von der weiteren Entwicklung abkoppeln können, während anderswo der Reichtum immer schneller akkumuliert.“

Die politischen Folgen skizziert Heinrich ohne besonders große visionäre Kraftanstrengung: „Für die übrigen Teile der Arbeiterklasse bleibt die (für Einzelne auch nicht völlig aussichtslose) Hoffnung des Aufstiegs oder aber ein Leben, das zunehmend an der Armutsgrenze geführt wird (beziehungsweise das vom Abrutschen an diese Grenze bedroht wird) und das entweder politische Apathie oder ziellose Wut und jede Menge rechtsextremer und rassistischer Ressentiments hervorbringt.“

Die Verantwortung trägt das gegenwärtige politische Establishment.

Quelle:

Context XXI

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