Das war 1. Mai 2014

Die soziale Revolte, sie kommt
Die soziale Revolte, sie kommt

600 Leute fanden sich zur MayDay 2014 am Wiener Columbusplatz ein, um ihrem Protest gegen die [Stadt]Politik Ausdruck zu verleihen. Inzwischen ist manifest, was vor Jahren als harmloses Projekt der Stadterneuerung begonnen wurde: Eine abgeschottete Gesellschaft, die sich im Einvernehmen mit Spekulationsgeschäften und Akkumulationsstrategien zu befinden wähnt und ihre lächerlichen Habseligkeiten mit Überwachungswahn und Polizeimethoden glaubt, absichern zu können. Doch das Nützlichkeitdogma und die damit verbunden Verwertungsstragien beginnen an den Rändern der sogenannten Mittelschicht einzudringen.

Steigende Mieten und Zwangsräumungen sind längst kein Phänomen mehr, das nur eine von einem rabiat gewordenen Bürger_innentum wieder als Unterschicht bezeichnete „soziale“ Gruppe betrifft. Die Verwertungsmacht des von Arbeitskäufer_innen dominierten Humankapitalmarktes beginnt längst auch bei der vermeintlich existenziell abgesicherten Mittelklasse zu greifen. Der Staatskonstruktionen so innewohnende Hang zum Totalitarismus erfasst vor allem diejenigen, die sich den Zugang zu neuen Technologien und hohe Mobilität [noch] leisten können, deren Plastikgeld Transaktionen lückenlos dokumentiert und deren Kaufkraft sie in privatsphärenlose Konsumräumlichkeiten treibt.

Gentrification im Sonnwendviertel, Wien Favoriten, MayDay14
Gentrification im Sonnwendviertel, Wien Favoriten, MayDay14

Während sich diese Bürger_innen Wut und Zorn als emotionalen und sozial geachteten Luxus leisten können, bleibt den Pionier_innen dieser neuen, alten Armut nicht einmal Verzweiflung. Prekarisierten wird nicht einmal das gegönnt. Von den „Vogelfreien“ des Mittelalters unterscheidet sie bloß noch, dass der Staat sein Gewaltmonopol noch nicht an seine Bürger_innen outgesourct hat. Das geht nämlich nicht: Der Staat ist den Prinzipien des Rechtsstaats bekanntlich formal sehr verbunden.

Die Demokratie wurde gestohlen

Moderne europäische Staaten werden von ein paar Handvoll finanzkräftigen Potentat_innen gesteuert und in eine bestimmte Richtung gelenkt. Diese Oligarchien, ein obskures Gemenge aus altem Adel, jungen Emporkömmlingen und neureichen Krisengewinnler_innen, unterstützen nicht mehr Parteien. Sie leisten sich selbst Parteien, die im politischen Spektrum verharmlosend als rechtspopulistisch eingestuft werden. Sie dürfen als Teil des Parteienstaats das tun, was den einzelnen aus Gründen des Gewaltmonopols verwehrt ist: Permanente frontale Attacken auf randständige und missliebige Menschen.

Demowagen vor der Akademie der Bildenden Kunst, Schauplatz polizeilicher Repression bei den nowkr-Protesten
Demowagen vor der Akademie der Bildenden Kunst, Schauplatz polizeilicher Repression bei den nowkr-Protesten

Leisten Aktivist_innen solidarischen Widerstand gegen diese Hetze und die immer häufigeren physischen Angriffe, stellt sich der europäische Staat fast ausnahmslos auf die Seite der Gewalttäter_innen. Unterstützung finden diese Parteien bei einem Beamt_innenapparat, der systematisch angefüttert und infiltriert wurde. Ermutigt wird diese real gestaltende Macht der Bürokratie durch das Vakuum, das Parteien des Nachkriegstypus auf Grund ihres erlittenen Machtverlustes, einer Folge der Kaltstellung durch die Oligarchien, erzeugen.

Ich bin nicht arbeitslos, I do care
Ich bin nicht arbeitslos, I do care

Expect Resistance

Wir sind alle Zeug_innen einer umfassenden Strategie: Oligopole finden sich überall. Ob Smartphones, Suchmaschinen, TV-Stationen oder Printmedien, Energieunternehmen oder Saatgutfirmen, Rüstungsfirmen oder Bierkonzerne. Und diese Oligopole stecken ihre Claims in allen als lukrativ eingeschätzten Geschäftsfeldern ab.

Gegen diese Folgen einer Politik der Handlanger_innen- und Kompliz_innenschaft, die auf dem Rücken möglichst vieler ausgetragen werden soll, sendet MayDay seine noch schwachen emanzipatorischen Signale der Solidarität, setzt symbolische Gesten des Widerstands und ermutigt zur Praxis der Revolte.

Das selbstverwaltete Amerlinghaus wird seit Jahren finanziell
Das selbstverwaltete Amerlinghaus wird seit Jahren finanziell ausgehungert – Amerlinghaus bleibt!

„So viel Arbeit heute, heute sind alle da,“ sagt der weißhaarige Kellner und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er sprintet unermüdlich von Tisch zu Tisch. Vielleicht hat ihm die Fähigkeit der Schnelligkeit das Leben gerettet, damals als er vor dem Krieg nach Wien flüchtete. Aber das volle Haus heute sei auch logisch, setzt er nach: „Heute ist der Feiertag der normalen Leute.“

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